Flammen tanzten über den fettschwitzenden Entenbrüsten in der schweren Pfanne und erleuchteten die schweißglänzende Stirn des Rotisseurs, der, geübt wie ein Boxer, dem Feuer auswich, mit der rechten Hand die Pfanne vom Herd zog, mit der linken dicke Butterwürfel in die dun-kelrote Weinreduktion fallen ließ, und konzentriert rührte, bis die Würfel geschmolzen waren und die Sauce schimmerte wie roter Samt.Das Gemüse! Herrschaften! Wir sind zu langsam! Tisch fünf kann, und die Rotbarben für Tisch acht stehen und werden älter, was ist los mit Ihnen, Herrschaften!Dia Gäääsdee am Disch füüünf, dia fraaagen, wo dia Enden blaid! Da hing er, betont gelangweilt, am Servicepass und starrte glubschäugig in die Küche, der neue Kellner aus Österreich, arrogant, aufgeblasen und getrieben von der stetigen Sorge um sein Trinkgeld.Einfach Schnauze halten, Heinz, und weg vom Pass, das ist zu heiß für dich, riet der Rotisseur mit einem kurzen Blick auf das Männlein, zerrte die vorgewärmten Teller aus dem Rechaud und schob sie zur Hälfte unter die glühenden Schlangen des Grills.Minuten später waren die Teller angerichtet und auf der einen Seite handwarm. Der Rotisseur griff zu und trug die Teller zum Pass. Vorsicht, heiß! Die ihm abgewandten Seiten der Teller hatten unter den Grillspiralen die Temperatur glühender Lava angenommen.Tisch fünf marschiert!Des wiad oba auch Zeid!Heinz gab sich wirklich Mühe. Ein beherzter Griff. Eine galante Drehung vom Pass weg. Ein großes Augenrollen im Moment der Erkenntnis, und dann ließ er, sehr elegant und variantenreich, den linken Teller einfach fallen, den rechten warf er zügig in die Höhe und starrte in einem Regen aus Entenbrustscheiben und geschnitztem Gemüse schreiend auf seine Blasen werfenden Daumen.Mensch, Heinz, seufzte der Rotisseur in väterlich-nachsichtigem Ton, das dauert aber wieder an Tisch fünf, meine Güte!, und wendete sich der applaudierenden Küchenmannschaft zu: Herrschaften, schnell, zweimal Entenbrust neu für Tisch fünf. Kann sofort!Monsieur bog eilig um die Ecke und wedelte mit einer Reservierungsbestätigung.Er kommt!, rief Monsieur, trat in Entenfleisch und Rotweinbutter und blickte irritiert zu Boden. Heinz, was machen Sie denn da? Monsieur wischte sich die Sauce von der Schuhsohle, murmelte verärgert die sind handgenäht!, richtete sich wieder auf, nahm Haltung an und klippte die Reservierung feierlich an die kücheneigene Magnettafel für Extra-Veranstaltungen.Wolfram Siebeck kommt!Es wurde ganz still in der Küche.Nur noch die asthmatisch atmende Abzugshaube war zu hören, und ein klagendes Wimmern vom Verbandskasten her.
Die zwölf Mann starke Mannschaft machte sich ans Werk, präzise fügte sich Handgriff an Handgriff zum kulinarischen Gesamtkunstwerk, jeder hatte seine Aufgabe. Bei Monsieur liefen Salate, Fisch, Fleisch, Saucen und Gemüse zusammen. Monsieur kontrollierte alles mit ruhigem Blick und aufmerksamer Zunge, würzte hier und da noch mal nach, warf dann mit galantem Schwung ein dekoratives Blättchen auf die angerichtete Kreation, rief dazu jedes Mal Signature du Chef!, und so geadelt machten sich die Teller auf den Weg zu Herrn Siebeck.Monsieur ließ es sich nicht nehmen, nach jedem Gang ins Restaurant zu eilen. Gemeinsam mit seinem berühmten Gast wurde das eben Verspeiste analysiert, das Ergebnis war erfreulich. Es schmeckte Herrn Siebeck, und eine glassene Freude und der Stolz auf die gemeinschaftliche Höchstleistung wehten durch die Küche. Wir würden das Schiff schon schaukeln, der sichere Hafen war nah. Nur noch drei Gänge.Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich freilich nichts zum schmackhaften Erfolg beigetragen, ich muss zugeben, von wir konnte keine Rede sein. Mein großer Auftritt sollte erst noch kommen. Gang Nummer sechs, das war meine Aufgabe, ein Fritto Misto von Paprika, Staudensellerie und Zucchini auf leichter Thunfischcreme, begleitet von frittierten Kapern und einer einzelnen, winzigen La-Ratte-Kartoffel, einer putzigen, nussig schmeckenden Zwergenknolle.Siebeck kann! Mach mich nicht unglücklich!, rief Monsieur, und ich legte los. Die Gemüsestreifen wurden in Olivenöl knusprig gebraten, mit hauchdünnen Knoblauchscheiben und jungen Rosmarinzweigen geschwenkt, es duftete herrlich! Ich würzte mit Meersalz und grob zerdrücktem, frischem, schwarzem Pfeffer. So einfach, so gut. Die helle Thunfischcreme strich ich mit einem Löffel kreisrund auf den Teller, ein cremiges Bett für das Fritto Misto. Ich entfernte Rosmarin und Knoblauch, die ihr Parfum abgegeben hatten, und häufte die würzigen Streifen auf den Teller.Herr Siebeck waaartet!, oha, jetzt aber hurtig.Kommt sofort, beruhigte ich Monsieur. Neben mir auf dem Herd tanzten zwei Minikartoffeln in kochendem Salzwasser, das taten sie nun schon eine Weile, und ich befand, dass es gut sei. Ich fischte die Kleinere der beiden heraus und ließ sie mit zitternden Händen neben die Thunfischcreme fallen. Hübsch.Monsieur riss mir den Teller aus der Hand, warf eine frische Rosmarinspitze auf die Köstlichkeit, rief: Signa-ture du Chef! und Seeervice! Das Fritto Misto verschwand, Monsieur folgte Minuten später. Und kam lange nicht zurück. Durch den Pass starrte ich auf die Schwingtür zum Gastraum. Nach zehn Minuten setzte nervöses Augenzucken ein. Links. Ich starrte einäugig weiter.
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7 Vorwort 7 zulernen, erfüllte ich ihm gerne und erinnere mich an filmreife Begegnungen mit Paul Bocuse oder Louis Outhier. Quasi durch die Hintertür musste die dortige Kochelite zur Kenntnis nehmen, dass im Nachbarland nicht nur auf den Tellern eine Zeitenwende stattgefunden hatte, sondern darüber auch kompetent und unterhaltsam berichtet wurde. Wolfram Siebeck schuf ein sehr spezifisches Verhältnis zwischen Koch und Kritiker. Wir haben durch und mit ihm gelernt, mit Kritik umzugehen, sich mit ihr auseinanderzusetzen, sich ihr zu stellen, heftige Meinungsverschiedenheiten inklusive. Zu seinem strategischen Nachlass gehört die wunderbare Zeile:Nicht alle Autoren, die übers Kochen schreiben, können kochen. Meistens können sie nicht einmal schreiben...und das beherrschte er wie wenig andere, ob er über40 Côtes d agneau und kein Coqschrieb oder auf sehr subtile Weise das Wesen eines Porsche 911 beschrieb. Am 10. Januar 1976, laut Wolfram Siebeck genau um Uhr, stand ich in der Tantris-Küche und diskutierte mit ihm über mein KalbsbriesRumohr. Das hatte ich Carl Friedrich von Rumohr gewidmet, einem freigeistigen und feinsinnigen Gastrosophen zu Zeiten Goethes, der mit seinem 1822 erschienenen WerkDer Geist der Kochkunsteine Art Urvater der Gastro-Journaille war. Ich hatte damals keine Ahnung, dass dieses Gericht im Laufe der Jahre zu einer meiner meistbeachteten Kreationen werden sollte, neudeutsch zu einemsignature Dish. 32 Jahre später, zum 80. Geburtstag Siebecks, kochte ich nochmals zu seinen Ehren mein KalbsbriesRumohrin Berlin für ihn. In langen Jahren zuvor herrschte Funkstille zwischen uns, ich hatte mich
9 Vorwort 9 stimmte Art zu kochen beispielhaft sind, sondern auch die Aufzählung von mitunter schon überholten Moden in der Küche wie etwa diemolekularküche, die Erklärung von Begriffen wieal dente,à pointodernaturanalog, die Notizen zu dendrinksoder dengeschmacksverstärkern, die häufig satirisch überspitzten Anmerkungen, die beispielsweise von derdamenkarteüber dasfrühstückundgaladinerbis hin zumterroirreichen, und die Fingerzeige zu allen Bereichen wie etwa denküchenmessernoder demtrinkgeld, demmangalitza-schwein oder demwagyu-rind sowie zu allen anderen Ebenen, die für einen interessierten Leser und Gast von Interesse sind. Im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit habe ich viele Komplimente erhalten. Eines davon wurde besonders häufig zitiert. Es stammt von Wolfram Siebeck: Er teilte die deutsche Kochlandschaft in eine Zeit vor mir und eine Zeit nach mir ein. Ich gestehe, ich fühle mich bis heute damit geehrt. Jetzt aber kann ich meinem geschätzten Weggefährten nur noch traurig hinterherrufen: Nun beginnt die Zeit nach Wolfram Siebeck. Vielen Dank, Wolfram Siebeck!
16 16 al dente melte, sehr groß. Seit ein Kühlschrank mit Tiefkühlfach zur Grundausstattung jeder Küche gehört, sind solche Befürchtungen obsolet. Eben: Aberglaube. Ebenfalls lächerlich ist die Anweisung alter Köchinnen, einen Kuchenteig dürfe man immer nur in einer Richtung schlagen bzw. rühren. Dabei mag Esoterisches im Spiel gewesen sein, sogar Quacksalberei ist nicht auszuschließen. Einen vernünftigen Grund für das Rechtsherum- oder Linksherumdrehen gibt es nur für Walzertänzer, nicht aber für kuchenrührende Köchinnen. AL DENTE Dieser italienische Begriff beinhaltet ein folgenreiches Missverständnis. Während er im Heimatland des Nudelkochens nur bedeutete, dass eine gare Nudel nicht matschig sein dürfe, folgerten unsere Pasta-Aficionados daraus, Spaghetti müssten halb roh gegessen werden. Und sie störten sich nicht daran, dass eine halb rohe Nudel mehlig schmeckt. Nicht genug, dass sie bei uns in jedem Italiener an der Ecke halb roh serviert werden, der Begriff weitete sich aus wie die Schweinegrippe. Vor allem Gemüse wurden davon befallen. Ich vergesse nie die Szene, als mir Louis Outhier damals in seinem RestaurantL Oasisin La Napoule ( ) an der Côte-d Azur seinen Abscheu vor der neuen Mode demonstrierte. Er spießte eine dünneharicot vertan einem Ende mit der Gabel von meinem Teller und hielt mir seine Beute vors Gesicht. Die Bohne machte einen höflichen Bückling nach unten:so müssen Bohnen gekocht sein, wenn sie Geschmack haben sollen. Aber nicht halb roh al dente!
Kochrezepte für Wildnistouren Vorbemerkungen Die nachfolgenden Rezepte sind aus der Erfahrung meiner vielen Wildnistouren entstanden. Ich gebe sie hier weiter in der Hoffnung, Newcomern den Schritt zu 2ff7e9595c
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